© ISG FFM S2/360: Zeitgenössische Filmbeschreibung von Jud Süß, 1940 (Ausschnitt)
XHarlans „Unsterbliche Geliebte“ in Frankfurt
Als im März 1951 im Lichtspielhaus Metro im Schwan in Frankfurt die Aufführung des Films „Unsterbliche Geliebte“ angesagt war, rief dies heftige Proteste eines großen Teils der Frankfurter Bevölkerung und zahlreicher Organisationen hervor. Der Grund dafür war der Name des Regisseurs: Veit Harlan.
Veit Harlan, der in der NS-Zeit durch Aufführungen wie „Der Herrscher“ (1936/37) oder „Das unsterbliche Herz“ (1939) sehr populär geworden war, erlangte seinen höchsten Bekanntheitsgrad 1940 durch den Film „Jud Süß“. Dieser Film, den er im Auftrag des Propagandaministeriums gedreht hatte, brachte ihm in der Nachkriegszeit aber auch die schärfste Kritik demokratischer Organisationen ein und galt während der Spruchkammerverfahren als stärkstes Belastungsmoment.
Der Film basiert auf einer Novelle von Wilhelm Hauff (1802-1827), worin erzählerische Belange höher angesiedelt sind als die Wiedergabe realer Begebenheiten. Geschildert wird das Leben des in Frankfurt lebenden Juden Joseph Süß Oppenheimer (gespielt von Ferdinand Marian), der von Herzog Karl Alexander von Württemberg (gespielt von Heinrich George) als Gegenleistung für beträchtliche pekuniäre Wohltaten zum Finanzrat berufen worden war.
Oppenheimer nutzte seine neu erworbene Stellung rücksichtslos für eigene Zwecke aus und forderte von den Württembergischen Landesbewohnern immense Abgaben und Steuern. Als Oppenheimer um die Hand der Tochter des Landschaftskonsulenten (gespielt von Kristina Söderbaum) anhielt und diese durch begleitende dramatische Ereignisse in den Selbstmord getrieben wurde, spitzte sich die Lage zu. Oppenheimer wurde schließlich verhaftet und hingerichtet.
Der Film ist eines der markantesten Beispiele der NS-Propaganda. Er diente ausschließlich dem Zweck der Demagogisierung der Juden. Harlan gelang es dabei durch geschickte Inszenierungselemente, das Publikum eindeutig gegen den Juden Joseph Süß Oppenheimer einzunehmen. Dabei schreckte er auch nicht vor massiver Klischeebildung und deutlichen Übertreibungen in der Darstellung zurück.
Dennoch war Harlan in den Spruchkammerverfahren nach Kriegsende als unbelasteter Mitläufer eingestuft worden. Auch im Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, war er 1950 in zweiter Instanz aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden.
Um die Aufführung des ersten Nachkriegsfilms einer derart politisch brisanten Persönlichkeit in Frankfurt zu verhindern, wandten sich daher viele Frankfurter Organisationen an den Frankfurter Oberbürgermeister:
Die Sozialdemokratische Stadtverordnetenfraktion schrieb (Brief vom 20.2.1951): „Es ist u. A. nach eine Unmöglichkeit, gerade in der Stadt Frankfurt a. M., die sehr unter dem nazistischen Gewaltregime zu leiden hatte, deren angesehensten Bürger in Konzentrationslagern vergast und durch den Veit Harlan-Film „Jud Süß“ auf das gröblichste beleidigt wurden, einen neuen Veit Harlan-Film aufzuführen.“
Die Jüdische Gemeinde Frankfurt erklärte (Brief vom 22.2.1951): „Angesichts der Tatsache, dass Veit Harlan als Regisseur des Films „Jud Süss“ zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft furchtbare moralische Mitschuld an der Ausrottung ungezählter jüdischer Menschen auf sich geladen hat, müssen wir überlebenden Juden die Aufführung irgendwelchen Werkes dieses Mannes als schmachvolle Provokation empfinden. In uns Juden blutet für immer das Andenken an unsere grausam dahingemordeten Brüder und Schwestern. Schon die blosse Vorstellung, dass nun ein Film dieses Mannes aufgeführt werden soll, reißt diese Wunden in uns neuerlich weit auf.“
Neben Organisationen wie dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der Arbeitsgemeinschaft Sozialistischer Ärzte in Hessen, dem Verband für Freiheit und Menschenwürde kündigten auch „Die Falken – Sozialistische Jugendbewegung Deutschlands“ an, dass sie „alle (ihnen) zur Verfügung stehenden demokratischen Mittel anwenden werden, um eine Aufführung des Harlan-Filmes unter allen Umständen zu verhindern.“ (Brief vom 17.2.1951)
In diese Debatte mischte sich schließlich der Regisseur selbst ein. Harlan empörte sich in einem vierseitigen Schreiben an den Oberbürgermeister Walter Kolb vom 10.2.1952 über die öffentlich gegen ihn gemachten Vorwürfe. Er erklärte, dass er nicht als „massgeblicher Mitverfasser des Drehbuchs des Films Jud Süss“, sondern „lediglich als Milderer eines abscheulichen, mit Pogromszenen angefüllten Drehbuchs“ anzusehen sei. Diese Tatsache sei ihm auch im Spruchkammerverfahren attestiert worden, wobei das Urteil „in aussergewöhnlicher Breite“ seinen diesbezüglichen „guten Einfluss“ gewürdigt habe. Harlan führte außerdem an, dass seine Frau Kristina Söderbaum und er bei den Regiearbeiten für den „Kaufmann von Venedig“ „ohne jeden Zweifel (ihr) Leben eingesetzt (hätten), damit der Wunsch von Goebbels, im Namen Shakespeares eine antisemitische Pogromstimmung zu schaffen, unerfüllt blieb“. Er beschwerte sich, dass es „einen Akt der Unfairness darstellt, wenn (ihn) eine Gemeinschaft erbitterster Gegner mit unwahrhaftigen Darstellungen angreift (...)“. Daraus schloss Harlan: „Kein sittlicher Mensch wird glauben, dass eine so hoch gelagerte Sittlichkeit gibt, die den Anspruch darauf erheben dürfte, auf dem Boden der Unwahrheit und Verleumdung ihre Sittlichkeit aufbauen zu dürfen.“
Man kann davon ausgehen, dass die in dem Schreiben an Oberbürgermeister Walter Kolb angeführten Argumente in den wesentlichen Zügen seiner Verteidigungslinie entsprach, die er in den Spruchkammerprozessen vertreten hatte und die später zu seiner Freisprechung geführt hatte.
Nach ausführlichen Gesprächen mit Vertretern der Filmwirtschaft und mehreren öffentlichen Symposien zwischen Verantwortlichen der verschiedenen Interessenverbände konnte die Stadt Frankfurt zunächst eine Absetzung des Films „Unsterbliche Geliebte“ erwirken. Auch als die Frankfurter Lichtspielhäuser in der Folge mehrmals versuchten, den Film auf ihre Leinwände zu bringen, reagierte die Stadt jedes Mal mit einem Verbot, da es stets zu zahlreichen Demonstrationen und Ausschreitungen gekommen war.
Schließlich musste die Stadt aber nachgeben. Nachdem die Verantwortlichen der Filmindustrie in einem Verwaltungsstreitverfahren mit massiven Regressansprüchen gedroht hatten, zog Oberbürgermeister das Verbot zurück. So lief seit Ende 1953 auch in den Kinos von Frankfurt, wo man sich im Vergleich zu anderen Städten am längsten gegen die Aufführung von Harlan-Filmen gewehrt hatte, der viel diskutierte Film „Unsterbliche Geliebte“.
Text: Silvia Stenger